Gemeinde unter Strom
Untrennbar mit der Geschichte des Ortes verbunden ist das Wirken des Industriepioniers Franz Itting (1875–1967), dessen Spuren bis heute überall zu finden sind – und von denen die Gemeinde bis in die Gegenwart profitiert. „Die schöne Gegend haben die umliegenden Gemeinden natürlich auch, aber ohne Franz Itting gäbe es kaum Industrie hier“, erklärt Bürgermeister Sven Mechtold. Bereits 1909 hatte der Unternehmer in Probstzella ein Elektrizitätswerk aufgebaut, das bis zu 150 Orte in der Region mit Wechselstrom belieferte. „Fast von Beginn an werden wir hier über 20 kV-Leitungen versorgt, Experten sind vom extremen Weitblick Ittings bis heute fasziniert.“
Beeindruckendes Bauhaus-Hotel
Das augenfälligste Erbe dieser Zeit ist jedoch das „Haus des Volkes“. Von Franz Itting als Hotel und Kulturort für die Einwohner konzipiert, dominiert das mächtige Gebäude bis heute das Ortsbild. Als nach der Wiedervereinigung Zoll, Polizei und Gemeindeverwaltung ausgezogen waren, habe sich niemand mehr zuständig gefühlt, das Haus sei verfallen, erinnert sich der gebürtige Probstzellaer Dieter Nagel. „Von allen Seiten hieß es, das Gebäude müsste abgerissen werden und sei nicht zu retten. Ich sah das anders.“ Im Jahr 2003 ersteigerte Nagel das baufällige Hotel von der Treuhand.
Alles war wirklich in einem schlimmen Zustand, allein hier im Speisesaal stand das Wasser zehn Zentimeter hoch. Aber wir haben das ganz gut hinbekommen, denke ich.
– Dieter Nagel
Mit viel Idealismus und Liebe zum Detail erstrahlt das ehemalige Hotel wieder in seinem alten Glanz. „Heute ist wieder fast alles so wie in den 1920er Jahren“, erklärt Dieter Nagel. Von den Tischen und Stühlen bis hin zur Farbgebung der Wände – in Blautönen und dem charakteristischen „caput mortuum“, einem bei Bauhaus-Architekten sehr beliebten Terracotta-Ton – wurden unzählige Details rekonstruiert. Mit Hilfe der TEAG entstand zudem ein Museum, das die spannende Geschichte Franz Ittings umfassend in Szene setzt. Große Hoffnungen setzen die Probstzellaer nun auf das Bauhaus-Jubiläum 2019. „Wir hoffen, dass wir bei dem ganzen Rummel eine große Rolle spielen“, sagt Dieter Nagel. Gerechtfertigt wäre die internationale Aufmerksamkeit allemal.