Bild: Das Haus des Volkes in Probstzella
Jan Kobel/TEAG

Bauhaus, Sperrgebiet und tiefe Täler

Ein ehemaliges Hotel erstrahlt im neuen alten Glanz

In Probstzella ist die jüngere deutsche Geschichte bis heute hautnah erlebbar. Doch auch für Naturfreunde gibt es an der Nahtstelle dreier Naturparks vieles zu entdecken.

Hoch über dem Loquitztal sitzt Dieter Nagel im Speisesaal des „Hauses des Volkes“ und nippt an seinem Kaffee, während draußen die Sonne Stück für Stück die Regenschauer vertreibt. Vom vierten Stock des geschichtsträchtigen Bauhaus-Hotels aus liegt dem Betrachter Probstzella zu Füßen – malerisch umrandet von den steilen Hügeln des Thüringer Schiefergebirges. Ein besserer Ausgangspunkt für eine Entdeckungstour durch die Gemeinde mit der wechselvollen Vergangenheit ist kaum denkbar.

Kleiner Ort mit Geschichte

Pionierregion in Sachen Elektrizität, Kristallisationspunkt der Bauhaus-Geschichte, wichtiger Grenzbahnhof im Kalten Krieg und Basis für Entdeckungstouren im Naturpark Thüringer Schiefergebirge: Trotz seiner nur etwa 3.000 Einwohner hat Probstzella Besuchern extrem viel zu bieten. So erinnert der alte Grenzbahnhof gleich am südlichen Ortseingang an die Zeit der Isolation, als Hunderte Soldaten und starke Befestigungsanlagen über den Grenzübergang in die BRD wachten. Im Heimatmuseum wurden die massiven Anlagen im Modell rekonstruiert.

Bild: Beeindruckende Architektur - der Café-Pavillion am Haus des Volkes in Probstzella
Jan Kobel/TEAG

Gemeinde unter Strom

Untrennbar mit der Geschichte des Ortes verbunden ist das Wirken des Industriepioniers Franz Itting (1875–1967), dessen Spuren bis heute überall zu finden sind – und von denen die Gemeinde bis in die Gegenwart profitiert. „Die schöne Gegend haben die umliegenden Gemeinden natürlich auch, aber ohne Franz Itting gäbe es kaum Industrie hier“, erklärt Bürgermeister Sven Mechtold. Bereits 1909 hatte der Unternehmer in Probstzella ein Elektrizitätswerk aufgebaut, das bis zu 150 Orte in der Region mit Wechselstrom belieferte. „Fast von Beginn an werden wir hier über 20 kV-Leitungen versorgt, Experten sind vom extremen Weitblick Ittings bis heute fasziniert.“

Beeindruckendes Bauhaus-Hotel

Das augenfälligste Erbe dieser Zeit ist jedoch das „Haus des Volkes“. Von Franz Itting als Hotel und Kulturort für die Einwohner konzipiert, dominiert das mächtige Gebäude bis heute das Ortsbild. Als nach der Wiedervereinigung Zoll, Polizei und Gemeindeverwaltung ausgezogen waren, habe sich niemand mehr zuständig gefühlt, das Haus sei verfallen, erinnert sich der gebürtige Probstzellaer Dieter Nagel. „Von allen Seiten hieß es, das Gebäude müsste abgerissen werden und sei nicht zu retten. Ich sah das anders.“ Im Jahr 2003 ersteigerte Nagel das baufällige Hotel von der Treuhand.

Alles war wirklich in einem schlimmen Zustand, allein hier im Speisesaal stand das Wasser zehn Zentimeter hoch. Aber wir haben das ganz gut hinbekommen, denke ich.

– Dieter Nagel

Mit viel Idealismus und Liebe zum Detail erstrahlt das ehemalige Hotel wieder in seinem alten Glanz. „Heute ist wieder fast alles so wie in den 1920er Jahren“, erklärt Dieter Nagel. Von den Tischen und Stühlen bis hin zur Farbgebung der Wände – in Blautönen und dem charakteristischen „caput mortuum“, einem bei Bauhaus-Architekten sehr beliebten Terracotta-Ton – wurden unzählige Details rekonstruiert. Mit Hilfe der TEAG entstand zudem ein Museum, das die spannende Geschichte Franz Ittings umfassend in Szene setzt. Große Hoffnungen setzen die Probstzellaer nun auf das Bauhaus-Jubiläum 2019. „Wir hoffen, dass wir bei dem ganzen Rummel eine große Rolle spielen“, sagt Dieter Nagel. Gerechtfertigt wäre die internationale Aufmerksamkeit allemal.