Gemeinsam mit Geschichtslehrer Sven Fiedler gestalteten die Schüler in diesem Schuljahr vier Audio-Guides über das Leben in der DDR.
Silvio Müller/Bürgerradio SRB

DDR-Geschichte zum Nachhören

Zehntklässler gestalten Audio-Guides

Die Bremsen eines einfahrenden Zuges quietschen, Türen klappen und eilige Schritte sind zu hören, als die Durchsage ertönt: „Probstzella, Probstzella! Werte Reisende, wir begrüßen Sie in Probstzella der Deutschen Demokratischen Republik. Sie werden gebeten auf Ihren Plätzen zu verbleiben und zur Erleichterung der Kontrollen, die in Ihren Besitz befindlichen Ein- und Ausreisekarten sowie Zoll- und Devisenerklärungen vollständig ausgefüllt bereit zu halten. Wir wünschen eine angenehme Fahrt.“

So klang eine Bahndurchsage zur DDR-Zeit bis 1989 am Grenzbahnhof in Probstzella. An der Südgrenze der sowjetischen Besatzungszone gelegen gehörte Probstzella zur DDR-Sperrzone. Der örtliche Bahnhof war Grenzbahnhof für Züge von Berlin nach München. Eingesprochen wurden die Zeilen nun rund 30 Jahre später von den derzeitigen Zehntklässlern der Gräfenthaler Regelschule „Christoph Ullrich von Pappenheim“. Gemeinsam mit Geschichtslehrer Sven Fiedler gestalteten die Schüler in diesem Schuljahr vier Audio-Guides über das Leben in der DDR. Das Projekt wurde von der TEAG Thüringer Energie im Rahmen des Schulwettbewerbs „IdeenMachenSchule“ mit 1.000 Euro gefördert.

30 Jahre Mauerfall

Anlässlich einer Schulausstellung zum Thema „30 Jahre Mauerfall“ entwickelten bereits die Jugendlichen der ehemaligen 10. Klasse im vergangenen Schuljahr Leitfaden-Interviews, um anschließend ihre Eltern und Großeltern über die DDR zu befragen. „Wichtig war mir, dass die Schüler ihre Wurzeln erforschen und sich vertieft mit dem Alltagsleben in der DDR auseinandersetzen“, erklärt Sven Fiedler. Auch aufgrund der unmittelbaren Nähe zum ehemaligen Grenzgebiet: Die Gräfenthaler Regelschule liegt nur knapp sechs Kilometer entfernt vom Nachbarort Probstzella, der zugleich Heimatort vieler Schüler ist.
 

Ich habe noch nie in so einer Tiefe mit meinen Großeltern über die DDR gesprochen.“

– Schülerin der 10. Klasse in der „Christoph Ullrich von Pappenheim“-Regelschule

Motiviert von der spannenden Geschichte ihres Heimatortes sollte die Schulausstellung im aktuellen Schuljahr in einem zweiten Baustein durch Audio-Guides ergänzt werden. In Zusammenarbeit mit Annett Hergeth, Koordinatorin der „Arbeitsgemeinschaft Region“ des Bildungszentrums Saalfeld GmbH sowie Silvio Müller vom Bürgerradio SRB Rabatz, wurde das Projekt „Denkorte der Demokratie“ umgesetzt.

Denkorte der Demokratie

Für das Projekt führten die derzeitigen Schülerinnen und Schüler der 10. Klasse weitere Zeitzeugen-Interviews und recherchierten am Ort des Geschehens: Der ehemalige DDR-Grenzbahnhof in Probstzella wird heute als Museum betrieben. Die Ausstellung soll über den Alltag im ehemaligen DDR-Sperrgebiet aufklären und an die mangelnde Reisefreiheit in der DDR erinnern. Unter dem Titel „Szenen vom Grenzbahnhof Probstzella“ ist auch über diesen historischen Ort eine Hörspielfrequenz entstanden. „Audio-Guides bieten enormes Potenzial, um historische Kompetenzen von Schülern zu fördern. So werden historische Ereignisse in Kombination mit erlebter Geschichte den Jugendlichen auf besonders spannende Weise erfahrbar gemacht", weiß Sven Fiedler, Geschichtslehrer an der „Christoph Ullrich von Pappenheim“-Regelschule

Auf Grundlage der gewonnenen Fakten und Zeitzeugenbefragungen schrieben die Zehntklässler eigene Drehbücher, die sie anschließend mithilfe des Bürgerradios SRB Rabatz eingesprochen und mit verschiedenen Hintergrundgeräuschen nahezu authentisch vertont haben. So entstand eine stimmungsvolle Atmosphäre, die den Zuhörer in die Umgebung einer Bahnhofshalle zurückversetzt. Neben der Hörspielfrequenz am Bahnhof Probstzella wurden drei weitere Audio-Guides aufgenommen: „Auf ein Bier im Sperrgebiet“ lautet der Titel der Sequenz über das Haus des Volkes in Probstzella, das im eindrucksvollen Bauhaus-Stil erbaut wurde. Der Guide „Neues vom Grenzturm Hopfberg“ erzählt Geschichten über den gleichnamigen Grenzturm und der Audio-Guide „Schulalltag im Grenzgebiet“ behandelt ein Thema, was den Schülern wohl am nächsten kommt. So können sie Vergleiche zum heutigen Schulalltag ziehen. „Nun diskutieren die Schüler viel kritischer im Unterricht und können verschiedene Perspektiven auf die DDR einnehmen“, beschreibt Geschichtslehrer Fiedler seine Erfahrungen des Projekts.

Auf einer Demokratie-Konferenz im November 2019 im Haus des Volkes in Probstzella konnten die Zehntklässler der Gräfenthaler Regelschule ihre Erfahrungen teilen. Sie haben die vier Hörspielsequenzen einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Im nächsten Schritt möchte die Gemeinde Probstzella an den verschiedenen Denkorten Säulen installieren, um die Audio-Guides via QR-Code allen interessierten Bürgern, Touristen sowie Lehrern und Schülern zugänglich zu machen.

Leuchtturm im Ideenwettbewerb „IdeenMachenSchule“

Bereits im Februar 2020 wurde das Projekt von der TEAG als Leuchtturm im Ideenwettbewerb „IdeenMachenSchule“ ausgezeichnet.
TEAG

Bereits im Februar 2020 wurde das Projekt von der TEAG als Leuchtturm im Ideenwettbewerb „IdeenMachenSchule“ ausgezeichnet. Damit unterstützt die TEAG pro Schuljahr verschiedene Projekte mit bis zu 1.000 Euro, die zum Beispiel zur Verbesserung des Lernumfeldes beitragen sowie die Bildung und Entwicklung der Schülerinnen und Schüler positiv beeinflussen.

„Das Projekt „Denkorte der Demokratie“ ist ein Paradebeispiel, wofür unser Ideenwettbewerb steht. Auf dieser Weise wird der jungen Generation ein einmaliger Einblick in das Leben in der DDR gegeben. Dazu tauschen sich die Jugendlichen mit Zeitzeugen aus, was unfassbar wertvoll ist“, weiß Roy Hildebrandt, TEAG-Projektleiter für „IdeenMachenSchule“.

Einen Überblick über alle Gewinner der Projektphase 2019/2020 ist auf der TEAG-Website zu finden. Interessierte Schulen können ihre Ideen außerdem schon für die Bewerbungsphase 2020/2021 einreichen. Die Frist endet am 15. November 2020.

Mehr Informationen zu „IdeenMachenSchule“ und zur Bewerbung unter www.ideenmachenschule.de.

Auf Grundlage der gewonnenen Fakten und Zeitzeugenbefragungen schrieben die Zehntklässler eigene Drehbücher, die sie anschließend mithilfe des Bürgerradios SRB Rabatz eingesprochen und mit verschiedenen Hintergrundgeräuschen nahezu authentisch vertont hab
Silvio Müller/Bürgerradio SRB

Auf Grundlage der Zeitzeugenbefragungen schrieben die Zehntklässler eigene Drehbücher, die sie anschließend mithilfe des Bürgerradios SRB Rabatz eingesprochen und vertont haben.